Eine Wahrheit, die man arrogant vorträgt,
wird die wunderbaren Früchte der Wahrheit nicht hervorbringen.
Richard Rohr (* 1943)

Arroganz ist die Überzeugung, zu den Guten zu gehören und besser zu sein als andere – und ich möchte behaupten, dass wir alle irgendwie davon betroffen sind.

Denn Arroganz funktioniert wie ein Schutzmechanismus, der uns unsere Bedeutung und Existenzberechtigung fühlen lässt. Und manchmal braucht es diesen Schutz.

Hinter der Arroganz verbirgt sich aber eine Unsicherheit und ein Minderwertigkeitsempfinden, vor dem uns unser kleines Selbst mit Hilfe der Arroganz zu schützen versucht.

Das funktioniert langfristig nur, wenn wir die Wahrheit anderer dafür herabsetzen und gewissermaßen auslöschen und damit die empfundene Unsicherheit und Minderwertigkeit loswerden und auf sie übertragen.

Der Preis der Arroganz ist daher immer zwangsläufig Einsamkeit und Abtrennung und letztlich eine innere Leere – es droht der seelische Tod, deshalb gehört die Arroganz in der Tradition auch zu den sieben Todsünden (als Hochmut).

Und spätestens da beginnt ein Teufelskreis: Unser kleines Selbst versucht sich über Wasser zu halten und das vermeintliche seelische Ertrinken zu vermeiden Das ist alles furchtbar anstrengend.

Daher sagt Jesus: »Wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen und um des Evangeliums willen verliert, wird es retten« (Mk 8,35).

Das Wagnis besteht darin, loszulassen und sich sinken zu lassen in die Einsamkeit, in die Unverbundenheit, ins Nichtwissen – bis die Füße auf Grund stoßen.

Darauf vertrauend, dass unserer innerster Kern – den wir in der christlichen Tradition Christus nennen – immer würdig, wertvoll, verbunden, unverletzlich und unsterblich ist.

Und die Erfahrung immer wieder zu machen, dass wir auch »unter Wasser« atmen können. Dann kann das Ego sich »entspannen« und die Teufelskreise enden.

Wenn ich nicht wüsste und in wunderbaren Kreisen, Auszeiten und Visionssuchen bei barfuß+wild erfahren hätte, was geschieht, wenn unser kleines Selbst durchlässig wird, wenn Menschen sich öffnen und ihre Wahrheit zu zeigen und zu sprechen wagen, ohne die Wahrheit anderer dafür auslöschen zu müssen, und wenn dann eine tiefe Verbundenheit entsteht und wir die »wunderbaren Früchte« dieser Wahrhaftigkeit verkosten – ich würde nicht zu träumen wagen …

… dass die Arroganz in Gesellschaft und Politik sich auflösen könnte und es vorrangig um die Sache ginge und um die Frage, was das Beste ist, das wir jetzt entscheiden können, für uns, unsere Kinder und die Generationen nach uns.

… dass die Arroganz in der Kirche sich auflösen könnte und sich alle Getauften unabhängig von der Konfession, von Ämtern und Titeln und jenseits von Kategorien wie Progressiv oder Konservativ auf Augenhöhe begegnen könnten und in der Überzeugung, dass in jedem und jeder Einzelnen Christus lebendig ist.

»Träum‘ weiter« heißt es so schön arrogant. Mach ich 😉

Pace e bene,
br. Jan